Der blaue Himmel über dem dichtesten Nebel, in dem ich je gesteckt hab...
Kannst Du Dich an die letzte Sonnenfinsternis erinnern? Egal wie Astronomie-begeistert Du sein magst, aufregend ist es in jedem Fall. Manche Leute reisen hunderte von Kilometern, um einen besseren Blick zu erhaschen, Dachterrassen sind ausgebucht und Arbeitgeber geben sich kulant, um ihren Teams den seltenen Spaß nicht zu verderben. Die Kinder recherchieren das Ereignis und schreiben Aufsätze in der Schule und in jedem Supermarkt gibt es dunkle Brillen zu kaufen. Wir können heute mit absoluter Gewissheit sagen, dass die nächste, wenn auch nur partielle Sonnenfinsternis in Deutschland, am 25. Oktober nächsten Jahres stattfinden wird und dass sie 86% der Sonne in den Mondschatten stellt. Wir wissen das mit 100%er Genauigkeit. Abgefahren, oder?
Früher war das anders. Sonnenfinsternisse ließen das Blut in den Adern der gefürchtetsten Kriegern zu Eis erstarren. Überall auf der Welt glaubten die Menschen über tausende von Jahren, dass riesige, wild gewordene Göttertiere, die Sonne vor ihren Augen verschlingen wollten. Es wurde geweint und geschrien und großen Lärm veranstaltet. Es wurde gebettelt, gebeichtet, verflucht, beschuldigt. Die Inkas sollen sogar Menschenleben geopfert haben, (na gut, die Inkas haben auch für kleinere Aufregungen Menschen geopfert). In jedem Fall war eine Sonnenfinsternis ein Ereignis, dass mit großer Angst und vielen Mutmaßungen verbunden war. Ein Kind, dass an einem solchen Tag geboren wurde, musste Zeit seines Lebens mit diesem Schatten leben. Das Gedächtnis eines Dorfes ging über Generationen hinweg. Man kann es den Menschen damals nicht verübeln. Wenn wir nicht wüßten, was sich im All genau abspielt, fänden wir das auch unheimlich.
Es gibt so viele Beispiele dafür, wie wir ein und das Gleiche Ereignis vollkommen unterschiedlich erleben, wahrnehmen und meistern können, nur weil wir plötzlich mehr wissen. Wir können heute Infektionskrankheiten behandeln, weil wir wissen, dass es Bakterien gibt. Früher hat man zur Ader gelassen, Blutegel bemüht, Räucherstäbchen angezündet oder den Priester geholt.
Faszinierend, oder? Gleiches Ereignis, grundsätzlich verschiedenes Erlebnis und vollends anderes Ergebnis, nur weil wir heute mehr wissen.
Ähnlich radikal, war meine Entdeckungsreise in die 3 Prinzipien. Wie die meisten von uns, bin auch ich in einem Weltbild aufgewachsen, das fix war und für alle gleich. Sich darin zurecht zu finden, war eine Frage der Fähigkeiten und Anstrengungen und manchmal der Beziehungen. Meine Vergangenheit bestimmte meine Gegenwart und die, meine Zukunft, ganz linear und in direktem Zusammenhang, unausweichlich, weil es eben so war.
Mein Wohlbefinden hing an so vielen Dingen: wie gut es im Job lief, wie zufrieden und erfolgreich meine Kinder in der Schule waren, wie oft sie sich stritten, ob mein Mann gute oder schlechte Laune hatte und natürlich ob andere mich toll fanden. Und immer wenn es mir nicht gut ging, lag das daran, dass irgendwas falsch war, meistens an mir (nicht gut genug, nicht diszipliniert genug, nicht konsequent genug) oder an der Welt (zu viel zu tun, zu wenig Zeit, zu undankbar...) Klingt das vertraut?
Mit den 3 Prinzipien änderte sich meine Welt radikal. Das erste, was mir deutlich wurde, war dass viele der Umstände, in denen ich mich gefangen fühlte, tatsächlich auf meinen eigenen Entscheidungen basierten und gar nicht in Stein gemeißelt waren, wie ich immer dachte. Ich konnte auch sehen, dass die Erwartungen anderer, unter denen ich so oft litt, eigentlich meine eigenen Ansprüche waren und gar nicht von anderen kamen. Mir wurde klar, dass wenn wir alle unsere Welt aus Gedanken bauen, es schlichtweg nicht möglich sein kann, dass du die gleiche Welt siehst, wie ich. Was für ein unendlich spannender Ansatz in jeder Beziehung! Und dann lernte ich, dass mein Wohlbefinden mein Ausgangspunkt ist, zu dem ich immer und jederzeit zurück kehren kann. Ich lernte, dass jedes Gefühl, das ich wahrnehme, immer nur der verkörperlichte Schatten meiner Gedanken ist. Jedes Gefühl, ohne Ausnahme.
Und mit dem 'Lernen' kam bald auch die Einsicht. Eines meiner ersten großen Erfahrungen oder insights in dieses Verständnis war übrigens an dem oben sichtbaren Nebeltag auf der schwäbischen Alb. Es war der dichteste Nebel, den ich je erlebt hab. Wir konnten uns nur im Schritttempo bewegen, hatten alle Lichter an und konnten trotzdem die Hand vor Augen nicht sehen. Nie im Leben hätte man sich vorstellen können, dass es nur eine Wolkenschicht war, die besonders tief auf dem Boden schwebte. Die Luft war zum Zerschneiden dicht und wirkte so bedrückend, wie dieses Gefühl, an dem ich seit Ewigkeiten fast erstickte. Mit jedem Meter, den wir an Höhe gewannen, wurde die Wolkenschicht dünner, durchschaubarer und heller. Über ihr thronte ein vollkommen unberührter blauer Himmel. Mir ist damals bewußt geworden, dass dieses unantastbare Blau die ganze Zeit da oben ist, vorher, nachher, zwischendrin. Und ich wusste plötzlich, was 'Wohlbefinden' meint und wie einfach es ist sich im Wetter zu verlieren.
Durch diese Erkenntnis konnte ich lernen, unangenehme Gefühle als Wegweiser zu lesen. Stress, Angst, Verzweiflung, Festsitzen haben eine ganz neue Qualität für mich. Sie haben an Gewicht verloren, fühlen sich weniger endgültig an und sind längst nicht mehr so ausweglos. Ich weiß einfach, was passiert ist, wann immer ich mich so fühle. Ich habe für einen Moment vergessen, dass meine Gefühle immer nur von meinem Denken kommen können und nicht von meinem Job, dem leeren Konto oder den harschen Worte von jemandem im Internet.
Zu verstehen, dass unsere Wahrnehmung auf einem natürlichen System basiert, für das es keine Ausnahmen gibt, ist Gold wert für mich. Denken taucht auf, wir fühlen unser Denken und verhalten uns entsprechend und der Kreislauf beginnt von vorn. Es gibt nur eine 'Währung' in unserem Kopf, nur einen Stoff, aus dem all unser Erleben gewebt ist. Und weil das so ist, haben wir tatsächlich eine Wahl, wann immer es uns nicht so gut geht. Wir können uns in den vielen Szenarien und Konsequenzen verlieren, die wir bis zur Erschöpfung kreieren, oder wir nehmen die Wegweiser wahr, die uns daran erinnern, dass wir uns gerade in unseren vielen Standards, Erwartungen und Vorstellungen verheddern. Allein das zu erkennen, macht den Unterschied. Unter blauem Himmel auf den Nebel zu schauen, gibt uns vollkommen neue Möglichkeiten, dem Nebel zu begegnen.
Gleiche Umstände, gleiche Herausforderungen - komplett andere Erfahrung und völlig neues Ergebnis! Nur weil wir heute mehr wissen.
Ein Unterschied, wie Tag und Nacht.
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